Dipl.-Psych. Dr. phil. Kerstin Pechtold-Kuch wohnt in Großheubach und ist Mitglied des Kirchenvorstands der Evangelischen Kirchengemeinde Kleinheubach. Am 7. Dezember 2025 wurde Sie als Vertreterin für das Dekanat Aschaffenburg in die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gewählt. Die Landessynode ist das höchste Beschlussgremium in der demokratisch organisierten evangelischen Kirche in Bayern. Zusammen mit 108 Synodalen entscheidet sie in den nächsten sechs Jahren über zentrale Fragen der evangelischen Kirche.
Dr. Kerstin Pechtold-Kuch ist Psychologische Psychotherapeutin und führt eine Praxis für Psychotherapie und Neuropsychologie in Miltenberg. Schon in der vorhergehenden Legislaturperiode (2019-25) war sie Mitglied der Landessynode. In diesem Interview spricht sie über ihr Engagement in der Synode.
Landessynode, das kennt nicht jeder. Was ist die Landessynode?
Dr. Kerstin Pechtold-Kuch: Die Landessynode ist – neben Landesbischof, Landessynodalausschuss und Landeskirchenrat – die Kirchenleitung der Evangelischen Landeskirche in Bayern (ELKB). Rund 2,1 Millionen der Bayern sind Protestanten.
89 der 108 Mitglieder der Landessynode werden von rund 13.000 Kirchenvorständen in Bayern gewählt, weitere 19 Mitglieder werden berufen oder entsandt. Das Besondere dabei: 1/3 der Mitglieder ist ordiniert, 2/3 nicht – so haben auch die Ehrenamtlichen eine starke Stimme.
Die Landessynode entscheidet wesentlich mit über den Kurs der Kirche. Sie ist verantwortlich für die kirchliche Gesetzgebung, die Verabschiedung von Haushaltsgesetz und Haushaltsplan sowie die Landesstellenplanung. Es werden bindende Beschlüsse über die Ordnung kirchlichen Lebens, die Gottesdienstordnung und andere inhaltliche Fragen, die unser kirchliches Leben betreffen, gefasst. Und die Landessynode wählt auch den Landesbischof, zuletzt wurde 2023 Christian Kopp für 10 Jahre Amtszeit zum neuen Landesbischof gewählt.
Die Landessynodalen sind für eine Legislaturperiode von 6 Jahren gewählt, die jetzige Periode dauert also von 2026 - 2032.
Und wie darf man sich die Arbeit der Landessynode vorstellen?
Dr. Kerstin Pechtold-Kuch: Wir, die 108 Landessynodalen, tagen zu der Frühjahrs- und Herbstsynode jeweils für mehrere Tage im Jahr in verschiedenen bayerischen Städten. Zwischen den Synodaltagungen finden vorbereitende Beratungen in den Ausschüssen und Arbeitskreisen statt.
Darüber hinaus sind die Landessynodalen gleichzeitig Mitglied von Dekanatssynode und oft auch, wie im Dekanat Aschaffenburg, im Dekanatsausschuss vertreten. Hierfür bin ich sehr dankbar, weil ich dadurch über die aktuellen Prozesse unseres Dekanats vor Ort immer gut informiert sein kann. Treffen mit Amtsträgern des Kirchenkreises stehen ebenfalls regelmäßig mit im Terminkalender.
Das Engagement in der Landessynode ist sehr zeitaufwändig. Was hat Sie dazu bewogen, wieder mitzumachen und sich zur Wahl zu stellen?
Dr. Kerstin Pechtold-Kuch: Trotz des zeitlichen Aufwands: ich bin sehr dankbar, dass ich in den vergangenen sechs Jahren den Prozess unserer Landeskirche miterleben, wichtige Entscheidungen für unserer Kirche begleiten und mitbeschließen durfte. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei allen Kirchenvorstehern und Kirchenvorsteherinnen für meine Wiederwahl bedanken, aber auch bei Allen, die mich in meiner Tätigkeit in der bisherigen Legislaturperiode der Landessynode - sei es durch Interesse an der Arbeit, Einbringung von Ideen und die Möglichkeit der Diskussion - unterstützt haben.
Durch meine bisherigen Erfahrungen in der Landessynode habe ich viel Einblick in kirchliche Prozesse gewonnen und möchte gerne neue und begonnene Prozesse weiter begleiten.
Warum? Weil mir Kirche wichtig ist und ich mir wünsche, dass unsere Kirche gute Wege bei den notwendigen Reformprozessen findet. Durch die in der Landessynode vertretenen unterschiedlichen Berufsgruppen fließen viele Kompetenzen in den Lösungsprozess mit ein – das ist sehr hilfreich und bereichernd. Und: Unsere Evangelische Kirche bietet etwas ganz Besonderes: hier kann Demokratie gelebt werden. In der kirchenleitenden Struktur können ganz im reformatorischen Verständnis Ordinierte wie Nicht-Ordinierte wesentliche Entscheidungen mittragen und mittreffen.
Was waren Ihre Schwerpunkte bisher in der Landessynode?
Dr. Kerstin Pechtold-Kuch: In der Landessynode gibt es verschiedene Ausschüsse, die sich vertieft mit bestimmten Fragestellungen befassen, z. B. Ausschuss für Finanzen, für Recht, für Grundfragen des kirchlichen Lebens, Organisationsausschuss usw. Mir als Psychotherapeutin liegen gesellschaftliche Fragen, die Seelsorge und diakonisches Handeln besonders am Herzen: deshalb gehörte ich bisher auch dem Ausschuss „Gesellschaft und Diakonie“ an. Für die neue Landessynode bin ich noch nicht festgelegt, im Verlauf der ersten Sitzungen wird sich entscheiden, welchen Schwerpunkt ich für diese Landessynodalperiode wählen möchte.
Die evangelische Kirche steht vor großen Herausforderungen. Die Landessynode ist mitten dabei, diesen Veränderungsprozess zu gestalten. Was kommt auf die evangelischen Christinnen und Christen in den nächsten Jahren zu?
Die Evangelische Landeskirche (ELKB) stellt sich den Herausforderungen der Zeit: Die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen mit Säkularisierung, Individualisierung und demografische Wandel führen auch in den Kirchen zu deutlichen Rückgängen bei Mitgliedern, Personal und Finanzen. Die Evangelische Landeskirche steht damit wie viele Kirchen vor großen Transformationen. Strukturelle Veränderungen führen dazu, dass Vieles neu gedacht werden muss, aber auch darf: Landesstellenplanung, Verwaltungsreform, Finanzplanung, Kirchenkreis- und Dekanatsreform, um nur einige Schlagworte zu nennen.
Einzelne Kirchenkreise und Dekanate werden zusammengelegt und damit von der Fläche und der Anzahl der zugehörigen Kirchenmitglieder größer. Unser bisheriger Kirchenkreis Ansbach-Würzburg wird zum Beispiel mit zwei weiteren Kirchenkreisen ab Januar 2027 zum Kirchenkreis Franken gehören.
Um bei veränderter Personalsituation eine möglichst gute kirchliche Versorgung in der Fläche zu erreichen und um die Kompetenzen vieler Berufsgruppen zu bündeln, sind die Bildung multiprofessioneller Teams angedacht, die in übergeordneten regionalen Räumen zusammenarbeiten sollen. Durch die Verwaltungsreform wird eine Entlastung der Pfarrpersonen von organisatorischen Aufgaben angestrebt, so dass mehr Freiraum bleibt für inhaltliche Arbeit. Die Ehrenamtsarbeit wird gestärkt.
Ziel ist, dass Religion und Spiritualität weiterhin in der Gesellschaft präsent sind und Menschen in ihrer Suche nach Sinn bei uns gute Glaubensorte finden und lebendiges kirchliches Leben möglich ist.
Was waren ihrer Meinung nach die wichtigsten Entscheidungen der Landessynode in den vergangenen sechs Jahren?
Dr. Kerstin Pechtold-Kuch: Die vergangenen sechs Jahre der Landessynode waren stark von Umbrüchen geprägt. Der Start 2020 erfolgte pandemiebedingt unter schwierigen Bedingungen. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen und finanzieller Mittel beschloss die Synode wichtige strukturelle Reformen der kirchlichen Organisation.
Inhaltlich zentral war die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt: 2020 wurde das Präventionsgesetz verabschiedet, Schutzkonzepte eingeführt, Fachstellen ausgebaut sowie Betroffenenvertretung und die Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission (URAK) eingerichtet. Einheitliche Anerkennungsleistungen werden bundesweit angestrebt. Ziel bleibt, Vertrauen und Glaubwürdigkeit gemeinsam vor Ort zu stärken.
Weitere wichtige Entscheidungen waren in unserer Verantwortung für die Wahrung der Schöpfung das Klimaschutzgesetz mit dem Ziel der Treibhausneutralität bis 2045, der Einsatz der Kirche für Frieden und Demokratie, die „Trauung für alle“ und damit die kirchenrechtliche Gleichstellung queerer und heterosexueller Paare, die Stärkung des Ehrenamts, der spirituellen und diakonischen Arbeit sowie die Einführung eines verbindlichen Kinderabendmahls.
Ein herausragendes Ereignis auf Leitungsebene war die Wahl des Landesbischofs 2023: Nach mehreren Wahlgängen wurde Christian Kopp gewählt.
Besonders prägend war für mich in dieser Zeit eine private Reise nach Israel 2023: Ich war dort am 07. Oktober 2023 als die Hamas Israel überfiel. Als eine Generation, die Krieg nicht am eigenen Leibe erfahren musste, hat das Erleben eines Luftangriffs auf Jerusalem nochmal mehr spürbar gemacht, wie ängstigend dies für die letzten Generationen gewesen sein muss. Ich bin sehr dankbar, dass meine Kirche sich für Erhalt des Friedens, für Demokratie und einen interreligiösen Dialog einsetzt.
Sie sind Delegierte des Dekanats Aschaffenburg. Wenn Sie mit dem Blick der Synode auf dieses Dekanat am Rande Bayerns blicken, gibt es da etwas Besonderes, was uns hier auszeichnet?
Dr. Kerstin Pechtold-Kuch: Das Dekanat Aschaffenburg ist geprägt von einer großen Vielfalt an Ortsgemeinden. Auch im Zuge notwendiger Strukturreformen soll diese Vielfalt erhalten bleiben. Wichtig ist, dass die Gemeinden ihr eigenes Profil bewahren, Entscheidungsspielraum behalten und zugleich gut miteinander vernetzt sind. Dabei müssen die unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse von Stadt- und Landgemeinden berücksichtigt werden.
Die angespannte Personalsituation stellt das Dekanat vor besondere Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, die Landeskirche als attraktiven Arbeitgeber zu stärken, junge Menschen für Kirche und Glauben zu gewinnen und sie stärker an kirchlichen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Ehrenamtliche werden eine zunehmend zentrale Rolle für die Zukunft der Kirche spielen. Hier gilt es, diese in ihren Möglichkeiten zu stärken und zu schulen.
Gleichzeitig stehen weitreichende strukturelle Veränderungen an: Gemeinden werden enger kooperieren, Regionalräume entstehen und unser flächenmäßig größer werdendes Dekanat wird ab 2027 Teil des neuen Kirchenkreises Franken sein.
Bei diesen vielen Veränderungen muss sich manches erst einspielen: es gilt gut hinzuschauen, damit wir unsere Kirche wohlbehalten durch schwieriges Fahrwasser lotsen - eine gelungene Kommunikation ist da entscheidend - von Kirchengemeinde/Regionalraum/Dekanat zur Landessynode und zurück.
Ich freue mich daher besonders auch über Anregungen aus den Kirchengemeinden, damit ich unser Dekanat und unsere Interessen gut in der Landessynode vertreten kann. Vielen Dank für Ihr Vertrauen!
Weihnachten – das feiern Christinnen und Christen gerade. Für mich steht Weihnachten auch für das Einlassen auf Neues, auf Veränderung, die neue Wege zulässt. Wir haben die Chance, Altes neu zu entdecken und Neuanfänge zu wagen. Dabei wünsche ich uns Allen für 2026 gutes Gelingen und Gottes Segen.
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Zur Person
Dipl.-Psych. Dr. phil. Kerstin Pechtold-Kuch
Ich bin 61 Jahre alt, in Miltenberg geboren, in Kleinheubach und Miltenberg aufgewachsen und wohne mit meinem Mann in Großheubach.
Nach dem Abitur habe ich Psychologie in Marburg, Wien, Freiburg und Hamburg studiert und bin von Beruf Psychologische Psychotherapeutin. Ich war in verschiedenen Kliniken tätig und arbeite jetzt in meiner eigenen Praxis für Psychotherapie und Neuropsychologie in Miltenberg.
Christlich geprägt bin ich durch meine Eltern, die kirchlich sehr aktiv waren. Ich war im Laufe meines Lebens an vielen Stellen kirchlich engagiert, z. B. in der Kindergottesdienst- und Jugendarbeit, der Ökumene, der Kirchenzeitung und in der Telefonseelsorge. In den letzten Jahren vor allem kirchenpolitisch, im Kirchenvorstand, im Dekanatsausschuss, Dekanats- und Landessynode.
